BrustkrebswissenNachsorge, Reha & Finanzhilfen

Schwerbehinderung

Eine Krebserkrankung fordert den Betroffenen viel ab. Die notwendigen Therapien sind teilweise sehr belastend und auch der Tumor selbst kann bereits Beschwerden verursachen. Zudem haben viele Patientinnen mit Ängsten und Sorgen zu kämpfen. Depressionen und Erschöpfung sind keine Seltenheit.

Die sogenannte „Teilhabe am Leben“ ist entsprechend eingeschränkt. Deshalb haben Sie als Krebspatientin einen rechtlichen Anspruch auf die Anerkennung einer Schwerbehinderung.

Mit der Anerkennung der Schwerbehinderung stehen Ihnen verschiedene finanzielle und soziale Nachteilsausgleiche zu, die Ihnen helfen können die krankheitsbedingten Herausforderungen leichter zu meistern.

Hinweis: In diesem Kapitel können wir nur einen groben Überblick zu diesem wichtigen Thema geben. Bitte lassen Sie sich bei Bedarf von fachkundigen Stellen beraten und unterstützen.

Schwerbehindertenausweis – finanzielle und soziale Unterstützung nutzen

Der Schwerbehindertenausweis ist eine kleine Plastikkarte mit der Sie Ihre Schwerbehinderung nachweisen können. Er ermöglicht Ihnen die Inanspruchnahme verschiedener finanzieller, sozialer und insbesondere auch arbeitsrechtlicher Nachteilsausgleiche.

Nutzen können Sie beispielsweise

  • Steuerliche Vergünstigungen
  • Ermäßigte Eintrittsgelder, bei vielen Museen, Konzerten, Theater, Schwimmbädern etc.
  • Geringere Mitgliedsbeiträge bei manchen Vereinen oder Verbänden

Besonders wichtig sind folgende Nachteilsausgleiche, die Arbeitnehmern gewährt werden.

  • Verstärkter Schutz vor Kündigungen §§ 168 bis 175 SGB IX = Sozialgesetzbuch Neuntes Buch
  • Bezahlter Zusatzurlaub entsprechend der wöchentlichen Arbeitszeit § 208 SGB IX
  • Anspruch auf behindertengerechte Beschäftigung § 164 SGB IX
  • Möglichkeit Mehrarbeit, die zu einer Arbeitszeit von mehr als 8 Std am Tag führt, abzulehnen § 207 IX SGB

Für Studierende von Bedeutung ist die verpflichtende

  • Rücksichtnahme auf die Belange von behinderten Studierenden in der Prüfungsordnung gemäß § 16 Satz 4 HRG = Hochschulrahmengesetz

Früher in den Ruhestand gehen

  • Zudem können Schwerbehinderte ohne Abschläge zwei Jahre früher als regulär oder sogar noch früher (dann mit Abschlägen) Altersrente beziehen. Voraussetzung ist u.a. dass 35 Versicherungsjahre vorliegen § 37 IX SGB
  • Auch Beamte können früher in den Ruhestand gehen. § 52 BBG = Bundesbeamtengesetz

Schwerbehindertenausweis beantragen

Wie und wo?

Den Schwerbehindertenausweis muß man beim zuständigen Versorgungsamt beantragen.

Welches Versorgungsamt für Ihren Wohnort zuständig ist, sowie die Antragsformulare finden Sie hier auf der Seite „einfach teilhaben“ vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales

Wer hilft bei der Antragsstellung?

Die Sozialberatungsstellen in Krankenhäusern und Rehakliniken können Ihnen bei Bedarf helfen. Auch Sozialverbände, wie beispielsweise der Sozialverband Deutschland und  der VdK oder spezialisierte Rechtsanwälte bieten entsprechende Unterstützung an.

Grad der Behinderung

Die rechtliche Grundlage für die Anerkennung einer Schwerbehinderung ist das SGB IX (Sozialgesetzbuch, neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe). Hier wird in §2 SGB IX definiert was als Behinderung zu verstehen ist.

Im Wesentlichen hat demnach eine Behinderung, wer gesundheitlich (körperlich, geistig und psychisch) so stark beeinträchtigt ist, dass er nicht in der typischen, altersgemäßen Weise am Leben in der Gesellschaft teilhaben kann. Kurzzeitige Beeinträchtigungen von weniger als 6 Monaten werden dabei nicht berücksichtigt.

Das Ausmaß der Beeinträchtigung wird als GdB Grad der Behinderung angegeben. Ab einem GdB 50 spricht man von einer Schwerbehinderung.

Bei einer Brustkrebserkrankung wird vom Versorgungsamt bei der Erstfeststellung praktisch immer mindestens ein GdB 50 vergeben. Das gilt sowohl für invasive Brustkrebserkrankungen als auch für die Brustkrebsvorstufe DCIS.

Festgelegt ist das in "Abschnitt 14: Weibliche Geschlechtsorgane", der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) 

Diese Erstfestsetzung des GdB erfolgt mehr oder weniger pauschal anhand der konkreten Brustkrebsdiagnose. Dabei muß üblicherweise nicht nachgewiesen werden, welche konkreten Einschränkungen aufgrund der Brustkrebserkrankung, - therapie bei Ihnen tatsächlich vorliegen.

Zeitliche Befristung – Heilungsbewährung

Die Anerkennung einer Schwerbehinderung aufgrund der Brustkrebserkrankung ist (zumindest in der adjuvanten Situation) immer befristet.

Bei DCIS auf 2 Jahre und bei invasiven Karzinomen auf 5 Jahre, beginnend mit der Entfernung des Tumors.

Wenn innerhalb dieser Frist kein Rezidiv / keine Metastasierung erfolgt ist, geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Krebserkrankung überstanden ist. In schönstem Amtsdeutsch spricht man hier von einer „Heilungsbewährung“.

Mit dem Ende der Heilungsbewährung endet Ihre Schwerbehinderung aufgrund der Brustkrebserkrankung automatisch und Sie verlieren Ihren Anspruch auf die damit verbundenen Nachteilsausgleiche.

Was tun, wenn Beeinträchtigungen weiter bestehen?

Leider bestehen oft auch über die 2 bzw. 5 jährige Heilungsbewährungsfrist hinaus Beeinträchtigungen als Folge der Brustkrebserkrankung oder Therapie, die Sie an der üblichen Teilhabe am Leben hindern.

Wenn dies bei Ihnen der Fall ist, sollten Sie erneut die Feststellung der Behinderung beantragen und die fortbestehenden Einschränkungen geltend machen.

Anders als bei der Ersteinstufung der Brustkrebserkrankung werden nun nur noch nachweislich fortbestehende Einschränkungen berücksichtigt.

Exemplarisch haben wir eine Liste mit möglichen Beeinträchtigungen, die für die Feststellung des GdB relevant sein können, zusammengestellt.

Wichtig: Nennen Sie in diesem neuen Antrag auch alle sonstigen gesundheitlichen Probleme, die Sie einschränken. Das können beispielsweise Beeinträchtigungen aufgrund von Hörschäden, orthopädischen Problemen (Knie, Rücken, Hüfte etc), Autoimmunerkrankungen und vieles anderes mehr sein.

Gleichstellung Schwerbehinderung

Bei vielen Brustkrebspatientinnen wird nach der Heilungsbewährungsfrist nur noch ein GdB von deutlich unter 50 anerkannt.

Gut zu wissen:

ArbeitnehmerInnen mit einem GdB von 30 oder 40 können sich unter bestimmten Voraussetzungen Schwerbehinderten gleichstellen lassen § 2 Abs. 3 SGB IX.

Sie genießen dann beispielsweise ebenfalls einen besonderen Kündigungsschutz, haben aber keinen Anspruch auf zusätzliche Urlaubstage oder vorzeitige Verrentung. Einen Antrag auf Gleichstellung stellt man bei der Bundesagentur für Arbeit.

Neufeststellung eines GdB

Im Laufe der Zeit können neue Beeinträchtigungen hinzukommen und vielleicht möchten Sie dann einen neuen Antrag auf Feststellung des GdB stellen. In diesem Fall erfolgt vom Versorgungsamt eine komplett aktualisierte Beurteilung Ihrer Einschränkungen.

Beeinträchtigungen die sich gebessert haben werden dabei ebenso berücksichtigt wie Beeinträchtigungen die sich verschlechtert haben oder neu hinzugekommen sind. Zudem ändern sich teilweise auch die Bewertungskriterien und tragen damit Fortschritten in der Therapie (beispielsweise schonendere Operationsmethoden, optimierte Endoprothetik etc.) Rechnung.

Eine Neufeststellung des GdB kann daher immer sowohl zu einer Erhöhung als auch zu einer Absenkung des GdB führen.

Gut zu wissen:

Bei der Feststellung des GdB werden die einzelnen GdBs, die für verschiedene bestehende Einschränkungen anzuwenden sind, nicht einfach addiert, sondern es erfolgt eine Gesamtbetrachtung der vorliegenden Beeinträchtigungen. Der so ermittelte GdB ist in der Regel niedriger, als die Summe etwaiger Einzel-GdBs.

mamazone Tipp:

Insbesondere wenn Sie bereits einen GdB von 30, 40 oder 50 haben kann eine Neufeststellung im Falle der Absenkung des GdB zum Verlust der Nachteilsausgleiche für Schwerbehinderte oder Gleichgestellte führen.

Lassen Sie sich deshalb umfassend von fachkundiger Stelle beraten, ehe Sie eine Neufeststellung Ihres GdB beantragen.

Weitere Informationen

in unserem mamazone MAG

06 2020 "Was bedeutet - Chronische Krankheit" Seite 28 ff.
06 2020 "Was bewährt sich hier? Die Heilungsbewährung" Seite 30 ff.
06 2020 "Früher war das Leben kürzer: Therapiefolgen" Seite 32 ff.

Vorträge von unseren Diplompatientinnen-Kongressen (nur für Mitglieder freigeschaltet)

2018 "Wie lange ist man Patient:in? Heilungsbewährung und Spätfolgen" von Dr. Christane Niehues

Links

„Versorgungsmedizin-Verordnung“ auf der Seite des BMAS
„Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV)
Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10. Dezember 2008“ auf der Seite des Bundesministeriums der Justiz
„Altersrente für schwerbehinderte Personen“ auf der Seite der Deutschen Rentenversicherung
„Gleichstellungsantrag und Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen“ auf der Seite der Bundesagentur für Arbeit
"Steueremäßigungen nach §33b  – Pauschbeträge für Menschen mit Behinderungen, Hinterbliebene und Pflegepersonen" auf der Seite des Bundesministeriums der Justiz

11 2023 „Grad der Behinderung“ auf der Seite des VDK
07 2023 „Menschen mit Schwerbehin­derung Früher in Rente gehen“ in Stiftung Warentest
04 2023 „Schwerbehinderten­ausweis Wie der Nach­weis das Leben erleichtert“ auf der Seite von Stiftung Warentest
02 2021 „Schwerbehinderung: Wann gilt für Krebspatienten ein besonderer Kündigungsschutz?“ Auf der Seite des Deutschen Krebsinformationsdienstes