BrustkrebswissenLeben mit Brustkrebs

Das Lymphödem

Das Lymphsystem - ein kleines Wunder der Natur

Um zu verstehen, wie ein Lymphödem entsteht, wie man es therapieren und seine Entstehung vermeiden kann, muß man zumindest grob wissen, wie unser Lymphsystem aufgebaut ist und wie es funktioniert. Deshalb stellen wir Ihnen zunächst dieses kleine Wunder der Natur kurz vor:  

Das Lymphsystem besteht, etwas vereinfacht gesprochen, aus Lymphbahnen, Lymphknoten und der Lymphe (Gewebsflüssigkeit).

Die Lymphbahnen, auch Lymphgefäße genannt, sind zarte Strukturen, die einen Durchmesser von nur ca 0,3 mm bis 0,8 mm haben. Man kann sie sich ähnlich wie ein Wurzelwerk vorstellen. Sie nehmen die Lymphe auf und transportieren sie in Richtung Herz, wo sie über die große Hohlvene in den Blutkreislauf einmündet. Die Lymphe ist eine klare bis milchige Flüssigkeit die aus Wasser, Eiweißen, Fetten, aber auch Viren, Bakterien, Zellen und Zellresten besteht. Auf Ihrem Weg durch die Lymphbahnen passiert die Lymphe die Lymphknoten, die wie Filterstationen wirken und schädliche Stoffe, auch Tumorzellen, zurückhalten können. Wir haben ca 600 Lymphknoten in unserem Körper, besonders viele davon in der Leisten-, der Achsel- und der Halsregion.

Ein sehr anschauliches und detailliertes Modell des Lymphsystems finden Sie auf der Seite von Lymphnetz Konstanz

Zart und verletzlich

Leider ist unser Lymphsystem auch sehr verletzlich. Wenn Lymphknoten entfernt und Lymphgefäße durchtrennt werden, kann die Lymphe nur noch durch die übrigen, intakten Bahnen fließen. Je größer die Lymphlast, das sind die mit der Lymphe abzutransportierenden Stoffe, desto schneller kann unser Lymphsystem überfordert werden. Wird die Gewebsflüssigkeit nicht mehr ausreichend über die Lymphbahnen abtransportiert, entsteht ein Lymphödem.

Je mehr Lymphknoten entfernt werden, desto größer ist das Risiko ein Lymphödem zu entwickeln. Auch die Bestrahlung der Lymphabflussgebiete in der Achsel- und Schlüsselbeinregion können die Neigung zu einem Lymphödem erhöhen, aber in weit geringerem Ausmaß als die Entfernung von Lymphknoten. Haben sich in einzelnen Lymphknoten bereits Macrometastasen gebildet, können auch diese den normalen Fluss der Lymphe behindern. Daneben gibt es noch weitere Ursachen für Lymphödeme, die aber nichts mit einer Brustkrebserkrankung- / Therapie zu tun haben.

Das Lymphödem – belastend für die Patientin, aber immer seltener

Wenn die Lymphe nicht mehr richtig fließen kann, entsteht ein Ödem, also eine Flüssigkeitsansammlung, die ein Spannungsgefühl oder eine Schwellung, später dann auch Verhärtungen und Schmerzen und als Komplikation Infektionen und Entzündungen erzeugt.

Solange die Axilladissektion noch zur Standardtherapie gehörte, entwickelten ca 30.000 Patientinnen pro Jahr ein Lymphödem. Heute liegen die Zahlen bei „nur noch“ ca 15.000 – 17.000. Zu verdanken ist dieser große Fortschritt in der Brustkrebstherapie insbesondere der mittlerweile längst etablierten Sentinel-Biopsie. Bei Brustkrebspatientinnen ist das Lymphödem auf der operierten Seite in der Regel am Arm oder im dortigen Brustbereich und / oder Oberbauch lokalisiert.

Stadien

Man teilt das Lymphödem in vier Stadien ein

  • Stadium 0 = Latenzstadium: Das Lymphsystem ist geschädigt und das Risiko einer Ödembildung erhöht. Dieses Stadium haben alle Brustkrebspatientinnen, denen mindestens der Wächterlymphknoten entfernt wurde.
  • Stadium I =  spontan reversibles Stadium: Das Ödem bildet sich insbesondere am Abend oder nach Anstrengung. Die Schwellung ist weich und man kann eine Delle hineindrücken. Über Nacht und nach Hochlagern des Armes klingt sie meist wieder ab. Insbesondere unmittelbar nach der Operation können sich Lymphödeme im Bereich der Brust und des betroffenen Armes bilden. Sie lassen sich in diesem Stadium aber noch gut behandeln und bilden sich bei entsprechender Therapie im Laufe der Zeit häufig wieder vollständig zurück. Solche Lymphödeme können aber auch noch Jahre nach der Brustkrebstherapie durch Überlastungen des Lymphsystems entstehen. Glücklicherweise können Sie Vieles tun, um das Risiko hierfür zu verringern. Mehr dazu siehe weiter unten.   
  • Stadium II = Ödem mit Schädigung des Gewebes: In diesem Stadium verschwindet das Ödem auch durch Hochlagerung nicht mehr, das umlegende Gewebe beginnt zu verhärten und die Haut wird anfällig für bakterielle Infektionen wie z.B. dem Erysipel (Wundrose) oder Pilzerkrankungen. Spätestens jetzt ist eine dauerhafte und konsequente Therapie des Lymphödems zwingend notwendig, um eine weitere Verschlechterung zu verhindern.  
  • Stadium III = irreversibles Ödem mit harter Schwellung und verdicktem Gewebe: Bei diesem Stadium spricht man auch von einer Elephantitis. Die Schwellung bildet sich kaum mehr zurück, das Gewebe ist verhärtet und neigt zu Infektionen und Entzündungen. Die umliegende Haut ist geschädigt. In diesem Stadium ist das Ödem chronisch und für die Patientinnen oft sehr belastend.

Was die Lymphe zum Fließen bringt

Vielleicht fragen Sie sich jetzt, wie die Lymphe in Fluss kommt? Hier kommt die Antwort: Teile der Lymphbahnen sind mit Muskeln ausgestattet, die sich zusammenziehen und die Lymphe in Richtung Hohlvene transportieren. Man spricht hier von Lymphherzen. Lymphklappen sorgen dafür, dass die Lymphe nicht wieder zurückfließen kann. Der Weg der Lymphe ist also gewissermaßen eine „Einbahnstrasse“. Unterstützt wird der Transport der Lymphe durch Muskelkontraktion von außen, die beispielsweise durch Bewegung und Atmung entsteht.

Aktiv gegen die Entwicklung eines Lymphödem

Sie können viel tun, um Ihr Lymphödem-Risiko zu mindern:  

  • Bewegen Sie sich regelmäßig ohne sich dabei zu überlasten: Sie unterstützen durch die Kontraktion Ihrer Muskel auch Ihr Lymphsystem.
  • Vermeiden Sie Verletzungen: Injektionen, Impfungen aber auch Blutabnahmen sollten nicht am Arm der betroffenen Seite erfolgen. Wenn Sie sich verletzt haben, z.B. bei der Garten- oder Küchenarbeit desinfizieren Sie die Stelle sorgfältig.
  • Achten Sie auf bequeme Kleidung und tragen Sie keine engen BHs und auch keine engen Uhren und Ringe. Messen Sie Ihren Blutdruck am nicht betroffenen Arm. So vermeiden Sie eine weitere Behinderung des Lymphflusses.
  • Verwöhnen Sie Ihre Haut, damit diese elastisch und robust gegenüber Krankheitserregern bleibt.
  • Vermeiden Sie starke Kälte und Hitze, denn diese können das Lymphsystem ebenfalls überlasten.
  • Schützen Sie sich vor Sonnenbränden, weil diese stets eine Entzündungsreaktion nach sich ziehen und so die Lymphlast erhöhen

Diese Vorsichtsmaßnahmen sollten Sie konsequent beibehalten, weil sich auch Jahre nach der Krebstherapie noch ein Lymphödem entwickeln kann.

Wichtig:

Gehen Sie unverzüglich zum Arzt, wenn Sie erste Anzeichen eines Lymphödems bemerken und beginnen Sie schnellstmöglich mit der Therapie! Je frühzeitiger ein Lymphödem behandelt wird, desto größer sind die Chancen eine Chronifizierung zu verhindern.

mamazone Tipp

Insbesondere wenn eine Axilladissektion durchgeführt wurde, raten wir vorsorglich eine entsprechende Physiotherapie in Anspruch zu nehmen. 

Eine spanische Studie mit 120 Patientinnen aus dem Jahr 2010 konnte nämlich zeigen, dass vorsorgliche Physiotherapie bestehend aus MLD (manueller Lymphdrainage), MT (manueller Therapie) und KGG (Krankengymnastik am Gerät) das Risiko ein Lymphödem nach Axilladissektion zu entwickeln, erheblich verringern kann.

In dieser Studie entwickelten insgesamt 18 der 120 Patientinnen ein Lymphödem.

  •       Nur 4 davon in der Gruppe, die eine Schulung plus Physiotherapie erhalten hatte,
  •       14 davon in der Kontrollgruppe die nur eine Schulung erhalten hatte.

Das Risiko ein Lymphödem zu entwickeln war also in der „Physiogruppe“ um 72% verringert!
Die Details der Studie finden Sie hier

Lymphödeme erfolgreich therapieren

Gerade in den Anfangsstadien eines Lymphödems kann man mit der konservativen Therapie noch eine deutliche und anhaltende Besserung der Symptomatik bewirken.

Konservative Therapie

Die konservative Therapie des Lymphödems wird auch als KPE (Komplexe Physikalische Entstauungstherapie bezeichnet). Sie umfasst die MLD (manuelle Lymphdrainage), die MT (manuelle Therapie), die Kompression des betroffenen Armes und entstauende Gymnastik.

Die manuelle Lymphdrainage ist eine spezielle, sehr sanfte Massage mit der Lymphtherapeut, die gestauten Lymphe so gut wie möglich aus dem Gewebe „auszustreicht“ und etwaige Verhärtungen löst. Wenn nach der manuellen Lymphdrainage die Lymphe aus dem Gewebe abgeflossen ist, muss eine Kompression des entstauten Gewebes erfolgen und der behandelte Arm wird bandagiert. Man spricht hier von einem LKV (Lymphologischen Kompressionsverband). Diese Entstauungstherapie erfolgt zunächst täglich.

Danach folgt die Erhaltungstherapie. Jetzt findet die Lymphdrainage je nach Bedarf statt und die Kompression erfolgt nicht mehr mittels Bandagen sondern mit angepassten Kompressions-Armstrümpfen.

Ist eine vollständige Rückbildung nicht mehr möglich, weil das Lymphödem sich chronifiziert hat, muß die konservative Therapie lebenslänglich fortgeführt werden. Das geht oftmals mit erheblichen Belastungen der betroffenen Brustkrebspatientinnen einher und zeigt nochmal sehr deutlich, wie wichtig hier Vorbeugung und frühzeitiges Gegensteuern ist.

Operative Therapie

Wenn die konservative Therapie auch nach ca 6 Monaten nicht den gewünschten Erfolg zeigt und sich das Lymphödem chronifiziert hat, kann eine operative Therapie in Frage kommen. Hier werden Lymphgefäße aus dem Oberschenkel entnommen und zur Überbrückung der beschädigten Lymphgefäße, sozusagen als Bypass eingesetzt.

Zu weiteren operativen Methoden lesen Sie gerne auch die Informationen des Vereins zur Förderung der Lymphoedemtherapie e.V. 

mamazone Rat

Wenden Sie sich an Spezialisten mit viel Erfahrung, wenn Sie eine operative Therapie in Betracht ziehen. Lassen Sie sich umfassend über die Erfolgsaussichten und die Risiken einer operativen Therapie in Ihrem ganz konkreten Fall beraten. Wie oben ausgeführt sind die Lymphgefäße sehr dünn und diese Operationen durchaus komplex.

Kassen-Rezept für die konservative Lymphtherapie

Seit Januar 2021 gelten neue Regeln für die Verordnung von MLD, die auch für gesetzliche krankenversicherte Brustkrebspatientinnen Vereinfachungen mit sich bringen.

Aktuell gilt:

  • Jeder Haus- oder Facharzt mit Kassenzulassung kann die MLD und LKV verordnen
  • Die Vorordnung von MLD und LKV belastet das Budget des verordnenden Arztes bei Brustkrebspatientinnen nicht! Dieser Heilmittelbedarf ist nämlich gemäß §7 ein Besonderer Verordnungsbedarf oder gemäß §8 ein Langfristiger Heilmittelbedarf
  • Bei Brustkrebspatientinnen kann die Verordnung für bis zu 12 Wochen ausgestellt werden. Auf der Verordnung muss dann C50 (für Mammakarzinom) als ICD-10 stehen
  • Auf der Verordnung wird festgehalten wie lange die MLD dauert, also z.B. (MLD-30 bedeutet 30 Minuten manuelle Lymphdrainage) und wie oft pro Woche sie erfolgen soll.

Gut zu wissen: Das Anlegen des LKV erfolgt im Anschluss an die MLD und die dafür benötigte Zeit ist zusätzlich zur MLD-Dauer aufzubringen.

Die Zuzahlung beträgt 10% der Kosten plus 10 EUR Gebühr pro Rezept.

Details hierzu siehe auf der Seite der KBV (Kassenärztliche Bundesvereinigung)  

Privatversicherten Patientinnen empfehlen wir sich bezüglich der anfallenden Kosten mit Ihren Krankenkassen in Verbindung zu setzen.

Therapeuten und Ärzte finden

Kontaktdaten für Lymphtherapeuten, Lymphologen und lymphologische Fachkliniken finden Sie beispielsweise auf der Seite der DGL (Deutsche Gesellschaft für Lymphologie)

Weitere Informationen

Vorträge von unseren Diplompatientinnen-Kongressen (nur für Mitglieder freigeschaltet)

2023 "Lymphödem: Was steht mir zu?" von Frau Erwin
2023 "Lymphödem: Ganzheitliche Medizin, was kann helfen?" von Wolfgang Mütz
2023 "Lymphödem: Was ist das? Was kann ich machen?" von Dr. med. Jochen Berger
2022 "Lymphologische Nachsorge nach Brustkrebstherapie" von Christina Jakob-Ertel
2022 "Operative Therapie des Brustkrebsassoziiertem Lymphödems" von Dr. Jürgen Wilmer
2022 "Lymphdrainage und Krankengymnasik - Wichtige Rezeptinhalte" von Eva Reichart

links

Informationen zum Lymphödem auf der Seite der Lymphselbsthilfe e.V.
LymphNetzwerk e.V.

04 2024 "Verordnung von Manueller Lymphdrainage: mehr Flexibilität, weniger Bürokratie" auf der Seite des G-BA
07 2021  "Lymphödem bei Krebs" auf der Seite des Krebsinformationsdienstes
05 2017 "S2k-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Lymphödeme" auf der Seite der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.)