Stillen und Brustkrebs Sie sind schwanger, wie schön! Eine aufregende Zeit für alle werdenden Eltern und natürlich mischen sich in die Vorfreude immer auch Gedanken zur Zukunft des Kindes und der Familie. Wie wird das werden mit dem neuen Erdenbürger, wird das Baby gesund sein, wird es glücklich aufwachsen dürfen, was kann ich tun um ihm einen möglichst guten Start ins Leben zu ermöglichen? Viele Mütter möchten stillen, wissen sie doch um die durchweg positiven Effekte des Stillens für Kind und Mutter. Doch wie ist das bei Frauen, die Brustkrebs hatten oder bei denen vielleicht sogar erst in der Schwangerschaft das Mammakarzinom entdeckt wurde? Können Brustkrebspatientinnen noch stillen und ist das dann auch ratsam für Mutter und Kind? Was ist dabei zu beachten? Nachstehend das Wichtigste in Kürze: Klappt das mit dem Stillen nach Brust-OP noch? Um Stillen zu können benötigt man intaktes Brustgewebe. Das bedeutet, dass Brustkrebspatientinnen, bei denen nicht bei beiden Brüsten eine Mastektomie (Entfernung des Brustdrüsengewebes) vorgenommen wurde, in der Regel stillen können. Frauen, die nach Mastektomie nur noch eine Brust haben, können nur mit der verbliebenen Brust stillen. Auch ein Brustaufbau mit Eigengewebe ermöglicht leider kein späteres Stillen mit dieser Brust. Erfreulicherweise kann aber auch mit einer Brust grundsätzlich genügend Milch für die Ernährung eines Säuglings produziert werden. Frauen die brusterhaltend operiert und bestrahlt wurden, können stillen, haben mit der behandelten Brust allerdings oft Schwierigkeiten. Grund hierfür sind Schädigungen von Drüsengewebe und von Nerven, die für den Milchspendereflex wichtig sind. Hinzu kommen etwaige durch die Bestrahlung ausgelösten Fibrosen (Verhärtungen, mangelnde Elastizität) des Brustgewebes. Wenn nur eine Brust vom Krebs betroffen war, ist auch hier immer ein Ausweichen auf die andere Brust möglich. Häufig führt die vorangegangene medikamentöse Krebstherapie, insbesondere die Chemotherapie, zu einer Einschränkung der Milchproduktion. Chancen auf Stillerfolg steigern Es ist daher ratsam möglichst frühzeitig Vorkehrungen zu treffen, damit das Stillen später bestmöglich gelingt. Das gilt nicht nur für Betroffene die gerade schwanger sind, sondern grundsätzlich für alle Brustkrebspatientinnen, die Ihre Familienplanung noch nicht abgeschlossen haben und später stillen möchten. Was können Sie tun? Sprechen Sie mit Ihrem Brustchirurgen. Möglicherweise lässt sich bei der Tumorentfernung die Schnittführung dahingehend optimieren, dass die Durchtrennung von Milchgängen so weit wie möglich reduziert wird. Oberste Priorität muß dabei aber immer die vollständige Entfernung des Tumors haben, damit sich Ihre Heilungschancen nicht verschlechtern. Informieren Sie Ihren Strahlentherapeuten. Vielleicht kann Ihr Stillwunsch bei der Strahlentherapie, beispielsweise durch eine Reduktion der Bestrahlungsenergie, berücksichtigt werden. Auch hier gilt sicherzustellen, dass keinerlei Abstriche hinsichtlich Ihres eigenen Heilungserfolges gemacht werden. Eine adäquate Strahlentherapie ist nach brusterhaltender Operation von entscheidender Bedeutung zur Vermeidung von Rezidiven. Lassen Sie sich von Ihrem Frauenarzt/- ärztin und Ihrer Hebamme bereits während der Schwangerschaft beraten, wie Sie den Milchfluss anregen und möglichen Stillproblemen vorbeugen oder begegnen können. Stillberaterinnen finden Die gemeinnützige La Leche Liga Deutschland e.V. bietet individuelle Stillberatung durch ehrenamtliche, ausgebildete Stillberaterinnen an. LLL- Stillberaterinnen und Stillgruppen finden Sie nach Postleitzahlen sortiert auf der homepage von La Leche Liga Deutschland e.V. Daneben gibt es auf dieser Seite sehr gutes Informationsmaterial zum Thema Stillen. Es gibt auch examinierte Still- und Laktationsberaterinnen. Diese haben sich im BDL (Berufsverband Deutscher Laktationsberaterinnen IBCLC e.V.) zusammengeschlossen. IBCLC steht für International Board Certified Lactation Consultant. Auf der Seite des BDL finden Sie alles Wissenswerte rund um das Stillen und auch eine Onlinesuche für examinierte Still- und Laktationsberaterinnen in Ihrer Nähe. Warum bevorzugen manche Säuglinge die unbehandelte Brust? Die Strahlentherapie kann manchmal zu einem niedrigeren Fett- und einem höherem Salzanteil in der Muttermilch und damit zu einem veränderten Milchgeschmack führen. Nachdem das Trinken an der bestrahlten Brust wegen der geringeren Elastizität der Brust zudem anstrengender sein kann, trinken einige Säuglinge ungern oder sogar gar nicht an der bestrahlten Brust. Ist Stillen für Brustkrebspatientinnen sicher? Grundsätzlich gilt Stillen als positiv, also schützend im Hinblick auf die Entstehung von Brustkrebs. Aber gilt das auch für Patientinnen, die an hormonrezeptor-positivem Brustkrebs erkrankt sind oder waren oder BRCA-Mutationen haben? Könnte sich bei diesen Frauen das Rückfallrisiko durch das Stillen vielleicht erhöhen? Zwei auf dem ESMO 2024 vorgestellte Studien geben hier Entwarnung. Nach einer zweijährigen (in der zweiten Studie knapp dreieinhalbjährigen) Nachbeobachtungszeit wurde bei Brustkrebspatientinnen mit hormonrezeptor-positivem Brustkrebs keine durch das Stillen erhöhte Rezidivrate beobachtet. Langfristige Ergebnisse stehen allerdings noch aus. Bei stillenden Brustkrebspatientinnen mit BRCA-Mutationen galt dies sogar für eine Nachbeobachtungszeit von sieben Jahren. Unterbrechungsdauer der Antihormontherapie im Auge behalten Wenn Sie Ihre Antihormontherapie unterbrochen haben, um schwanger zu werden, sollten Sie bedenken, dass Sie während der Stillzeit keine Antihormontherapie erhalten dürfen. Wir raten Ihnen mit Ihrem Ärzteteam zu besprechen, wie lange Sie unter Berücksichtigung Ihres individuellen Rückfallrisikos stillen dürfen. Sicherheit für Ihr Baby - wann nicht stillen / pausieren? Während der medikamentösen Therapie Chemotherapeutika gehen in die Muttermilch über. Deshalb darf während der Chemotherapie keinesfalls gestillt werden. Auch während der Behandlung mit anderen medikamentösen Therapien, wie beispielsweise der Antihormontherapie oder Antikörpertherapien muß auf das Stillen verzichtet werden. Wichtig: Fragen Sie bitte immer Ihr Ärzteteam, wie lange der Abstand zwischen der letzten Gabe einer Chemotherapie oder anderer Medikamente und dem Beginn der Stillphase sein muss, damit das Baby mit der Muttermilch keine schädlichen Stoffe aufnimmt. Bei der Gabe von Kontrastmitteln Kontrastmittel können in die Muttermilch übergehen. Das gilt auch für das bei Brust-MRTs häufig verabreichten Gadolinium oder für jodhaltige Kontrastmittel. Sie sollten sich daher bei jeder Untersuchung mit Kontrastmitteln von Ihrem Radiologen informieren lassen, ob Sie die Milch zunächst abpumpen und verwerfen sollen. Bei Diagnostik und Therapie mit Radiopharmaka Radiopharmaka sind (oder enthalten) radioaktive Substanzen, die in der Nuklearmedizin für Diagnose- und Therapiezwecke genutzt werden. Radiopharmaka werden in Ihren Körper eingebracht, meist per Injektion, und erzeugen dort eine erwünschte Strahlung. Die Strahlung der einzelnen Radiopharmaka ist dabei dem jeweiligen Verwendungszweck angepasst. Ein Radiopharmakon das zu Diagnosezwecken injiziert wird, strahlt daher nur schwach und nicht langanhaltend. Ein Radiopharmakon das zur Therapie genutzt wird, muss hingegen stark genug und räumlich eng begrenzt strahlen, um zielgenau das umliegende Tumorgewebe zerstören zu können. Eine nuklearmedizinische Therapie ist beispielsweise die Brachytherapie. Diagnostische Verfahren bei denen Radiopharmaka injiziert werden, sind u.a. die Skelettszintigraphie und PET-Untersuchungen (Positronen-Emissions-Tomographie). Auch für die Markierung von Wächterlymphknoten werden schwach strahlende Radiopharmaka genutzt. Nach der Anwendung von Radiopharmaka müssen Sie jeweils für die von den Nuklearmedizinern vorgegebene Zeit engen Körperkontakt mit Ihrem Baby vermeiden und die Muttermilch abpumpen und entsorgen. mamazone Tipp: Trinken Sie viel und entleeren Sie Ihre Blase häufig nach einer Untersuchung mit einem Radiopharmakon. So können Sie die Ausscheidung des Radiopharmakons beschleunigen. Bei bestimmten Bestrahlungsarten Wenn besonders hochenergetische Photonen, Protonen oder Schwerionen verwendet werden, kann dies zu einer kurzzeitigen Bildung von radioaktiven Stoffen im Körper führen und bei engem Körperkontakt, sowie beim Stillen, das Baby belasten. Bitte besprechen Sie mit Ihrem Strahlentherapeuten, wie lange Sie mit dem Stillen pausieren oder ob Sie sogar Abstillen müssen, um Ihr Baby nicht zu gefährden. Für die Bestrahlung der Brust werden aber im Regelfall andere, für das Baby unkritische Verfahren genutzt. Darf man während der üblichen Bestrahlung der Brust stillen? Üblicherweise kommt bei der Brustbestrahlung eine perkutane Strahlentherapie mit Photonen zum Einsatz. Hierbei besteht die Strahlenbelastung nur während der kurzen Zeit der Strahlungssitzung und ist danach beendet. Das Stillen wird in diesem Fall für das Baby als unproblematisch angesehen. Wichtig: Fragen Sie trotzdem immer Ihren Strahlentherapeuten, ob das Stillen bei Ihrer konkreten Strahlentherapie für Ihr Baby sicher ist! Wie oben ausgeführt gibt es auch bestimmte Strahlentherapien, bei den Sie mit dem Stillen pausieren müssen. Denken Sie auch an sich Die Strahlentherapie führt bei fast allen Patientinnen zu Hautreizungen ähnlich einem Sonnenbrand, manchmal sogar zu Schwellungen. Die Brust ist in diesen Wochen sehr berührungsempfindlich und das Stillen kann entsprechend schmerzhaft sein. Achten Sie also auch auf sich! Dass Sie gut durch die Strahlentherapie kommen ist für Sie und Ihr Baby das Wichtigste, auch wenn Sie dafür möglicherweise Abstillen müssen. Stillen und bildgebende Nachsorge In der Nachsorge werden regelmäßig bildgebende Verfahren wie Ultraschall, Mammographie und eventuell auch MRTs angewendet. Deren Beurteilung kann in der Stillzeit durch die veränderte Brust erschwert werden und manchmal zu falsch-positiven Ergebnissen führen. Wir raten Ihnen daher möglichst mit entleerter Brust zur Nachsorgeuntersuchung zu gehen. Falls Kontrastmittel benötigt werden, beachten Sie bitte unsere Hinweise hierzu weiter oben. Last but not Least Wir wünschen Ihnen sehr, dass Sie Ihr Baby stillen können! Vielleicht klappt es aber mit dem Stillen auch nicht, obwohl Sie das so gerne wollten. Dann grämen Sie sich bitte nicht. Sie haben es trotz erschwerter Voraussetzungen versucht und das zählt. Vielleicht haben Sie aber auch einfach nicht die Kraft aufbringen können, die Sie für ein erfolgreiches Stillen gebraucht hätten. Dann bedenken Sie bitte, dass Sie viel durchgemacht haben und es auch für Ihr Baby gut ist, wenn Sie sich von Ihrer Brustkrebserkrankung bestmöglich erholen und fit für die anstrengenden ersten Monate nach der Geburt sind. Es ist doch so: Was Ihr Kind am meisten braucht ist Liebe und Geborgenheit und die können Sie ihm immer schenken, egal ob Sie es nun Stillen oder nicht. Weitere Informationen: BDL Berufsverband Deutscher Laktationsberaterinnen IBCLC e.V. LLL La Leche Liga Deutschland e.V. 09 2024 „Stillen nach BRCA-positivem Brustkrebs ohne erhöhtes Rezidivrisiko“ im Deutschen Ärzteblatt 09 2024 “Breastfeeding after breast cancer is feasible and safe” in ESMO daily reporter 09 2023 „Medizinische Strahlenanwendungen während der Stillzeit“ auf der Seite des BFS (Bundesamt für Strahlenschutz) 2023 „Stillen nach Brustkrebs- Frauen ermutigen” Artikel in der Deutsche Hebammenzeitschrift, abrufbar auf der Seite des Uniklinikums Schleswig Holstein 07 2020 „ABM Clinical Protocol #34: Breast Cancer and Breastfeeding” auf der Seite Mary Ann Liebert publications 07 2020 „Neues ABM-Protokoll Nr. 34: Brustkrebs in der Stillzeit“ auf der Seite des Europäischen Instituts für Stillen und Laktation 10 2019„Neues ABM Protokoll Nr. 31: Radiologische und nuklearmedizinische Untersuchungen bei Frauen in der Stillzeit“ auf der Seite des Europäischen Instituts für Stillen und Laktation „Brustkrebs und Stillen“ auf der Seite Still-Lexikon „Stillen während und nach einer Strahlentherapie: sinnvoll oder schädlich?“ Auf Pink